Beobachtungsstudie zum Management instabiler Beckenfrakturen

Beobachtungsstudie zum Management instabiler Beckenfrakturen

Wohlrath B, Trentzsch H, Schweigkofler U

Fragestellung: Die mechanische Stabilitätsprüfung wird zur Diagnose instabiler Beckenfraktur trotz zweifelhafter Aussagekraft empfohlen. Die zunehmende Verbreitung von präklinisch anwendbaren Hilfsmitteln zur nicht-invasiven Stabilisierung könnte einen Paradigmenwechsel einleiten. Diese Beobachtungsstudie soll die tatsächliche Praxis hinsichtlich der Anwendung von nicht-invasiven Stabilisationsmethoden und der mechanischen Stabilitätsprüfung untersuchen. Wir präsentieren eine Zwischenauswertung.

Methodik: Prospektive, multizentrische Beobachtungsstudie an schwerverletzten Patienten mit präklinischem V.a. Beckenringfraktur anhand Mechanismus oder klinischer Untersuchung. Daten zur Stabilitätsprüfung, der bildgebenden Diagnostik und zu Stabilisierungsmaßnahmen werden anonym mittels standardisiertem Fragebogen erhoben. Die Stabilitätsprüfung ist der Index-Test, die CT der Referenztest. Die Daten sind in Absolutzahlen und Prozent angegeben.

Ergebnisse und Schlussfolgerung: Bisher wurden 48 Patienten eingeschlossen, 24 (50%) zeigten im CT eine instabile und 4 eine stabile Fraktur.

Die Stabilitätsprüfung wurde bei nur 26 Fällen (54%) durchgeführt. Gleichzeitig wurden aber 36 Fälle (75%) bereits präklinisch mit Beckengurt (BG 71%) oder Vakuummatratze (VM 29%) stabilisiert. Davon hatten 13 (50%) Patienten mit BG eine instabile Fraktur. Alle BG wurden belassen und die Stabilitätsprüfung im SR unterlassen. Von 10 Patienten mit VM zeigten 6 instabile Frakturen, fünf davon erhielten eine Stabilitätsprüfung.

Bei den 26 auf Stabilität geprüften Patienten fand sich bei nachgewiesener Instabilität in 45% ein positiver (pathologischer) Test (Sensitivität 46%, positiver prädiktiver Wert 100%). Alle Patienten mit stabilem Becken hatten einen negativen Test (Spezifität 100%, negativer prädiktiver Wert 71%). Von 6 Patienten mit falsch-negativem Test gingen 4 ohne Stabilisierung ins CT.

95% der Patienten erhielten ein CT (72% Traumaspirale, 23% isoliertes Becken-CT). Bei 57% wurde vor der CT noch geröntgt. Eine externe Stabilisierung im Schockraum erfolgte 10x mit BG-Anlage (91%) ,1x Beckenzwinge (9%).

Die Daten zeigen bisher eine geringe Aussagekraft der mechanischen Stabilitätstestung. Bei einem Drittel der Patienten muss trotz negativem Test eine instabile Fraktur befürchtet werden, zwei Drittel der falsch-negativen Patienten würden ohne weitere Diagnostik (z.B. Röntgen) unterversorgt ins CT gehen.

Wegen des häufigen Einsatzes präklinisch angelegter Beckengurte wird die Stabilitätsprüfung offenbar seltener durchgeführt. Hinsichtlich der hohen Rate falsch-negativer Ergebnisse der klinischen Stabilitätsprüfung sollte unabhängig davon bei anamnestisch/klinischem V.a. eine Beckenringverletzung die Anlage eines Beckengurtes erfolgen.

 

Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2014). Berlin, 28.-31.10.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. DocWI12-854

doi: 10.3205/14dkou017, urn:nbn:de:0183-14dkou0176

Veröffentlicht: 13. Oktober 2014
© 2014 Wohlrath et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.

Vergleich der Reliabilität Röntgen- und CT-Bild-basierter Beurteilungskriterien sakraler Formvarianten in Hinblick auf eine sichere transversale SI-Verschraubung im 1. Sakralsegment

Vergleich der Reliabilität Röntgen- und CT-Bild-basierter Beurteilungskriterien sakraler Formvarianten in Hinblick auf eine sichere transversale SI-Verschraubung im 1. Sakralsegment

Mendel T, Wienke A, Ullrich B, Noser H, Goehre F, Hofmann GO, Radetzki F

Fragestellung: Die Formenvariabilität des Sakrums ist hinlänglich bekannt. Sie gilt als eine der Hauptursachen für die Fehlplatzierung von SI-Schrauben im 1. Sakralsegment. Insbesondere horizontale Schraubenlagen, die bei zentralen und bilateralen Sakrumfrakturen angestrebt werden, können bei der sog. Sakrumdysplasie erschwert bzw. unmöglich sein. Die genaue Analyse präoperativer Röntgen- und CT-Aufnahmen ist daher essentiell. In dieser Studie wird die eigens entwickelte Methode des lateralen Sakraldreiecks nach Mendel mit konkurrierenden Methoden nach Routt, Kim und Carlson hinsichtlich Ihrer Reliabilität in der praktischen Anwendung verglichen.

Methodik: Die o.g. Methoden basieren auf folgenden Grundlagen: Nach Routt werden Outlet-, Röntgenseitbild (RSB) und ein axialer CT-Schnitt auf 6 inkonstante Dysplasiemerkmale geprüft. Nach Kim wird das Sakrum im RSB anhand der S1-Körpererhebung über die Linea terminalis in eine normale, Übergangs- und dysplastische Form gegliedert. Carlson beurteilt im axialen CT-Schnitt den Abstand zwischen S1-Foramen und ventralem Kortex (geräumig: >12mm, intermediär: 7,5-12mm, dysplastisch: <7,5mm). Mendel ermittelt den Quotienten aus Deckplattenlänge und Vorderwandhöhe S1 (ratioT) im RSB. Der Wert >1,5 erlaubt die Implantation von 1 oder mehr SI-Schrauben. 3 unerfahrene (TP1, 2, 3) und 2 versierte Testpersonen (TP4, 5) untersuchten aus 80 Becken-CTs generierte röntgenähnliche Projektionen und CT-Schnitte entsprechend o.g. Methoden daraufhin, ob eine transversale Schraubeninsertion möglich ist. Die Reihenfolge der anonymisierten Fälle war zufällig. Mittels Kreuztabellenanalyse wurden für jede Einteilung und TP Sensitivität und Spezifität berechnet. Prüfgrößenmittelwerte wurden einteilungsbezogen gegenübergestellt. Der Einfluss klinischer Erfahrung (TP 1, 2, 3 versus TP 4, 5) wurde mit dem unabhängigen t-Test geprüft.

Ergebnisse und Schlussfolgerung: Die eigene Einteilung erreichte mit 86% die höchste mittlere Sensitivität bei allen TP. Für die anderen Methoden betrugen diese lediglich: Kim 67%, Carlson 74% und Routt 75%. Die Spezifität betrug bei Mendel Ø73%. Lediglich mit der Kim-Einteilung konnten mit 79% höhere Werte erreicht werden. Für beide statistische Gütekriterien erreichte die eigene Methode die konsistent niedrigste Streuung um ihren Mittelwert bei Standardabweichungen von 6,8% für Sensitivität und 10,8% die Spezifität. Der t-Test ergab keine signifikanten Unterschiede der Bewertungsergebnisse der 3 unerfahrenen verglichen mit denen der 2 versierten TP (Sensitivität p=0,09, Spezifität p=0,3).

Die Methode des lateralen Sakraldreiecks ermöglicht eine reproduzierbare Aussage über die Existenz des transversalen SI-Korridors im Segment S1. Sie behauptet sich gegenüber anderen Einteilungen als durchweg sichere und zugleich präzise Entscheidungshilfe für den Operateur, unabhängig von seiner Erfahrung. Es bedarf lediglich eines RSB. Im Gegensatz zu den Methoden von Carlson und Routt sind keine CT-Aufnahmen erforderlich.

 

Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2014). Berlin, 28.-31.10.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. DocWI12-353

doi: 10.3205/14dkou016, urn:nbn:de:0183-14dkou0164

Veröffentlicht: 13. Oktober 2014
© 2014 Mendel et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.

Versorgungskonzepte bei Beckenringfrakturen vom Typ B im Alter – Eine multizentrische Studie der AG Becken III (DGU)

Versorgungskonzepte bei Beckenringfrakturen vom Typ B im Alter – Eine multizentrische Studie der AG Becken III (DGU)

Höch A, Osin R, Stuby F, Böhme J, Josten C

Fragestellung: Die Versorgung von Beckenringfrakturen im Alter über 65 Jahren wirft aktuell bei steigender Relevanz viele Fragen auf. Derzeit existiert kein Goldstandard zur Behandlung von osteoporotischen Beckenringfrakturen vom Typ B nach Tile.

Diese Arbeit soll eine Übersicht über die in Deutschland angewandten Versorgungskonzepte, Behandlungsverläufe und Komplikationsraten geben.

Methodik: Es handelt sich um eine Auswertung prospektiv erfasster Daten aus dem Register der AG-Becken III der DGU. Zwischen Januar 2008 und August 2011 konnten 564 Patienten mit vollständigem Datensatz mit einer Typ B Verletzung im Alter über 65 Jahren in die Untersuchung eingeschlossen werden. Dokumentiert wurden diese von 28 deutschen Kliniken. Die memdoc® Datenbank enthält etwa 100 Items, die alle relevanten Patienten- und Versorgungsdaten sowie Daten zum stationären Verlauf beinhalten. Die Auswertung der Daten erfolgte mittels SPSS.

Ergebnisse: Das mittlere Alter der 564 Patienten lag bei 81±7,6 Jahren bei überwiegend weiblichen Patienten (3,9:1). 387 (69%) Patienten erlitten eine isolierte Beckenfraktur, 123 (22%) eine begleitende Verletzung und nur 54 (9%) waren polytraumatisiert. Eine komplexe Beckenringfraktur lag bei 18 (3,2%) vor.

413 (73%) Patienten wiesen eine laterale Kompressionsfraktur vom Typ B2, 99 (18%) eine B1 und 52 (9%)eine beidseitige hintere Beckenringfraktur vom Typ B3 auf. Über 90% der Patienten hatten eine transsakrale Fraktur.

Insgesamt wurden 111 (20%) der Patienten operativ therapiert. Zum Einsatz kamen hierfür überwiegend minimalinvasive Verfahren (ventral: 34 Fixateur externe, 22 Plattenosteosynthesen, 4 Kriechschrauben; dorsal: 73 transileosakrale Verschraubungen, 4 Lumbopelvine Abstützungen, 1 Platte, 6 additive Sakroplastien).

Die mittlere Krankenhausverweildauer der Patienten betrug 13,3±12,0 Tage, operativ versorgte Patienten lagen mit 21,0±13,4 Tagen signifikant länger im Krankenhaus als konservativ therapierte Patienten (11,4±10,8 Tage).

Die Komplikationsrate lag insgesamt bei 10,3% während des stationären Aufenthalts, die Mortalität betrug 3,7%. Im Vergleich zwischen operativ und konservativ therapierten Patienten bestand eine signifikant höhere Komplikationsrate (23%/7%), die Mortalität unterschied sich nicht signifikant (4,5%/3,5%).

Schlussfolgerung: Der überwiegende Teil der B-Frakturen im Alter über 65 Jahren wird konservativ behandelt. Zur operativen Versorgung werden minimalinvasive Verfahren angewandt. Trotz minimalinvasiver Verfahren trat eine signifikant höhere Komplikationsrate der operativ versorgten Patienten auf, sodass bei jedem Patienten individuell in Abhängigkeit aller Begleitumstände eine Therapieentscheidung getroffen werden sollte.

 

Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2014). Berlin, 28.-31.10.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. DocTI13-496

doi: 10.3205/14dkou004, urn:nbn:de:0183-14dkou0040

Published: October 13, 2014
© 2014 Höch et al.
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