Osteochondritis dissecans (OCD) am Knie

Osteochondritis dissecans (OCD) am Knie

„Wenn eine OCD am Kniegelenk auftritt, ist zu 77% der mediale Femurkondyl betroffen“, erklärt Prof. Dr. Catharina Chiari, Orthopädisches Spital Speising, Wien, bei der Jahrestagung 2023 des BVdO. Die Symptome sind zunächst belastungsabhängige Schmerzen. Blockaden und Krepitation treten erst im fortgeschrittenen Stadium auf. Die OCD ist aber oft auch symptomlos. Differenzialdiagnostisch sind physiologische Irregularitäten der Ossifikation, die bei Kindern zwischen 6 und 8 Jahren in unbelasteten Arealen, typischerweise posterior, auftreten können, zu unterscheiden. Röntgen und MRT sind zur Diagnose obligatorisch. Nach dem MRT-Befund richtet sich auch die Klassifikation nach Dipaola.¹ Ein modifiziertes Klassifikationssystem auf Grundlage der Arthroskopie haben Carey et al. 2016 publiziert.²
„Für die Behandlung der OCD gibt es keine klare Evidenz“, sagt Chiari. Ein Therapiealgorithmus wie 2023 von Schreiner et al. in einer Übersichtsarbeit dargestellt (JATROS Orthopädie & Traumatologie Rheumatologie 2/2023) kann allerdings empfohlen werden. Bei noch offenen Wachstumsfugen und stabilen Läsionen hat die konservative Therapie hohe Erfolgschancen. Chirurgische Optionen sind je nach Läsionsgröße und Lokalisation: retrograde Anbohrung, Refixation des Fragments, OATS, MACT oder Rekonstruktion mittels Allograft. Instabile Läsionen sollten so weit wie möglich refixiert werden. Bioresorbierbare Pins oder Schrauben aus Allograft sind zu bevorzugen.
Wie zuvor Prof. Nehrer betont auch Prof. Chiari, auf Achsfehlstellungen zu achten und diese mitzubehandeln: „Sonst bringt die Knorpelbehandlung keinen langfristigen Erfolg.“

Bericht: Mag. Christine Lindengrün

Quelle: BVdO-Jahrestagung, 2. Dezember 2023, Wien

Referenzen: 1 Dipaola JD et al.: Characterizing osteochondral lesions by magnetic resonance imaging. Arthroscopy 1991; 7(1): 101-4 2 Carey JL et al.: Novel arthroscopic classification of osteochondritis dissecans of the knee. Am J Sports Med 2016; 44(7): 1694-8

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Regenerative Medizin bei Knorpelschäden

Regenerative Medizin bei Knorpelschäden

„Knorpeldefekte im Knie sind sehr häufig: Sie werden bei 60% aller Arthroskopien gefunden, sind aber oft oft klinisch noch stumm“, erklärte Prof. Dr. Stefan Nehrer, Zentrum für regenerative Medizin, Krems, bei der Jahrestagung des BVdO 2023. Im Frühstadium sind die Schäden noch beeinflussbar, bei Defekten über 2cm2 ist die Prognose deutlich schlechter.

Nach der Defektgröße richtet sich auch die Wahl der Behandlung. Bei kleineren Defekten reicht oft schon das Debridement, um die Symptome effektiv zu lindern. Wichtig sei, so Nehrer, beim Debridement auch das degenerative Gewebe rund um den eigentlichen Defekt zu entfernen.  Das heißt, dass die wahre Defektgröße erst nach dem Debridement feststeht.

Hinter knochenmarkstimulierenden Techniken (z.B. Anbohren, Abrasion, Mikrofrakturierung) steht die Idee, das Wachstum im subchondralen Knochen anzuregen. „Diese Methoden eignen sich zur Defektfüllung, aber man muss wissen, dass hier kein Knorpelgewebe, sondern höchstens knorpelartiges Gewebe entsteht“, betonte Nehrer. Wie man heute weiß, degeneriert dieses Gewebe nach einigen Jahren. Außerdem zeigt der solcherart behandelte subchondrale Knochen Veränderungen, die jede nachfolgende Behandlung erschweren. Für größere Defekte werden Knorpelzelltransplantationstechniken empfohlen, z.B. die matrixinduzierte autologe Chondrozyten-Transplantation (MACT) oder die Minced-Cartilage-Technik, bei der zerkleinerter Knorpel mit thrombozytenreichem Plasma vermischt wird.

Bei jeder Knorpelbehandlung ist es wichtig, etwaige Achsfehlstellungen zu korrigieren, betonte Nehrer.  Neueste Studien weisen außerdem darauf hin, dass der Erfolg einer Knorpelbehandlung unter anderm davon abhängt, ob eine Inflammation vorhanden ist: Entzündungen verschlechtern die Ergebnisse. „Knorpelzellen leben von Diffusion. Wenn der Knorpel nicht bewegt wird, wird er nicht ernährt“, erinnerte Nehrer abschließend. Bewegung ist daher auch bei Arthrose unbedingt empfehlenswert.

Bericht: Mag. Christine Lindengrün

Quelle: BVdO-Jahrestagung, 2. Dezember 2023, Wien

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Manuelle Therapie am Arthroseknie

Manuelle Therapie am Arthroseknie

„Degenerationsbedingte Funktionseinschänkungen eines Gelenks führen zu Sehnen- und Muskelverkürzungen, zu Muskelatrophien und insgesamt zu muskulären Dysbalancen, die sich wiederum auf die Gelenksfunktion und die weitere Degeneration negativ auswirken“, erklärte Priv.-Doz. Dr. Arnulf Pascher, Graz, in seinem Vortrag bei der BVdO-Jahrestagung 2023. Zudem kommt es über die Stimulierung von Mechano-, Schmerz- und Propriozeptoren zu einer neurophysiologischen Refelexauslösung, die über das Wide-Dynamic-Range-Neuron des Rückenmarks eine muskuläre, entzündliche und sogar vegetative Reflexantwort verursacht. Diese verstärken wiederum die Funktionseinschränkung im Gelenk und die Symptome wie Schmerz, Schwellung, Kapseleinsteifung und Muskeltonuszunahme.

Die konservative Arthrosetherapie ist eine 3-Säulen-Therapie:¹ Erstens die Verbesserung des Gelenkspiels durch manualmedizinische Grifftechniken mit Mobilisationen, Traktionen und Manipulationen. Zweitens der symmetrische Aufbau der gelenkführenden Muskulatur durch manualmedizinische Weichteiltechniken, Kraft- und Koordinationstraining. Drittens die Verbesserung des Knorpels durch ernährungsmedizinische Supplementierung von hauptsächlich Sulfaten.

„Auf diese Weise kann auch am Kniegelenk vor allem bei mäßiggradiger Arthrose regulierend eingegriffen werden“, so Pascher. Dies wird unterstützt durch neue Grundlagenforschung, die darauf hinweist, dass sich durch progessives Stretching die Kollagenausrichtung in der Gelenkkapsel und den Sehnen ändert² und sogar fibrotische und entzündliche Veränderungen reduziert werden können.³ Die Verbesserung der faszialen Gleitfähigkeit führt zu einer besseren Gewebsversorgung über interstitielle Pathways.⁴ Schon kurzzeitiges Dehnen führt zur Verminderung der Muskelsteifigkeit und Verlängerung der Muskulatur und Sehnen.⁵ Selbst bei schon arthrotischen Kniegelenken könnten daher von manueller Medizin noch positive Effekte erwartet werden, meint Pascher: „Knorpel wird dadurch zwar nicht aufgebaut, aber Beweglichkeit und Funktion werden verbessert, das Gelenk wird entlastet und Schmerz reduziert.“

Bericht: Mag Christine Lindengrün

Quelle: BVdO-Jahrestagung, 2. Dezember 2023, Wien

Referenzen: 1 Dehoust N: Degenerative Gelenkerkrankungen im Alter. Manuelle Medizin 2020; 58: 199-203 2 Solomonow M et al. Ligaments: a source of work-related musculoskeletal disorders. J Electromyogr Kinesiol 2004; 14: 49-60 3 Wan L et al.: Effects of different static progessive stretching durations on range of motion, myofibroblats, and collagen in a posttraumatic knee contracture rat model. Phys Ther 2022;102(5): pzab300 4 Li H et al.: Layers of interstitial fluid flow along a „slit-shaped“ vascular adventitia. J Zhejiang Univ Sci B 2021; 22(8): 647-63 5 Konrad A et al.: The time course of muscle-tendon properties and function responses of a five-minute static stretching exercise. Eur J Sport Sci 2019; 19(9): 1195-203

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BVdO Jahrestagung 2023

BVdO Jahrestagung 2023

Wissenschaftliche Leitung:
Univ.-Prof. Dr. Ronald Dorotka
Präsident des Berufsverband der Österreichischen Fachärzte für Orthopädie (http://www.bvdo.or.at/)
Facharzt für Orthopädie, Orthopädische Chirurgie, Sportorthopädie und Rheumatologie, Orthopädie-Zentrum Innere Stadt, Wien
Datum
02.12.2023,
08:00 bis 16:30 Uhr

Ort
Haus der Ingenieure
Eschenbachgasse 9 / 1.+2. Stock
1010 Wien
Österreich

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Zum Programm

Anmeldung unter: www.bvdo-jahrestagung.at

 Diese Veranstaltung ist für das Diplom-Fortbildungs-Programm (DFP) der Österreichischen Ärztekammer mit 6 DFP Punkten approbiert.

Veranstalter
Universimed Cross Media Content GmbH im Auftrag des Berufsverband der Österreichischen Fachärzte für Orthopädie
Markgraf Rüdiger Straße 6-8
1150 Wien
Tel.: +43 1 87 67 956-66
event@universimed.com
www.universimed.com

Das humpelnde Kind

Das humpelnde Kind

Wenn ein Kind plötzlich Bein- oder Hüftbeschwerden hat, ist die Ursache oft eine harmlose Coxitis fugax. Es kann jedoch auch eine schwerwiegende Knochen- oder Gelenkinfektion dahinterstecken, die dringend ärztlich behandelt werden muss.

Eine Coxitis fugax, auch Hüftschnupfen genannt, tritt häufig bei Kindern im Alter von 3–10 Jahren auf. Sie entsteht meist 2–3 Wochen nach einer viralen Infektion der oberen Luftwege oder des Darmtraktes. Der Hüftschnupfen ist harmlos. „Die Coxitis fugax ist eine Ausschlussdiagnose. Wichtig ist die Abgrenzung beispielsweise zum eitrigen Infekt eines Gelenkes, bei dem schnellstens eine notfallmäßige Operation stattfinden muss“, sagt Prof. Dr. Anna K. Hell, Präsidentin der DGOU-Sektion Vereinigung für Kinderorthopädie (VKO). Es können aber auch andere Ursachen hinter einem Humpeln stecken: Morbus Perthes, Fremdkörper in der Fußsohle, Verletzungen nach Unfällen, eine Toddler-Fraktur, rheumatische Erkrankungen, Tumoren oder eine Epiphyseolysis capitis femoris (Hüftkopfabrutsch, tritt häufig in der Pubertät auf).

Bei der Diagnosefindung spielen auch Aussagen zur Schmerzqualität eine große Rolle: Das Kind muss mitteilen, wann und wo der Schmerz auftritt, und auf weitere Fragen antworten: Sind die Schmerzen abnehmend, zunehmend oder gleichbleibend und strahlen sie aus? Besteht der Schmerz schon länger und wird er durch Unwohlsein oder Fieber begleitet? Häufig reicht das bereits für eine Diagnose, manchmal sind jedoch weitere Untersuchungen wie Ultraschall, Röntgen oder MRT erforderlich. Ein Fachbeitrag dazu ist in der Zeitschrift „Orthopädie und Unfallchirurgie – Mitteilungen und Nachrichten“ (OUMN) erschienen.1 (red)

Quelle:
Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie, www.dgou.de
Literatur:
1 Hell AK et al.: Das humpelnde Kind. Orthopädie und Unfallchirurgie 2023; 13(2): 10-4

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Präventionsprogramme im Sport nutzen

Präventionsprogramme im Sport nutzen

Doz. Dr. Karin Pieber (Universitätsklinikum St. Pölten) präsentierte verschiedene Programme zur Prävention von Sportverletzungen. Da gibt es zum Beispiel die App „Get Set“ oder „Stop X“, ein Programm zur Prävention von Knieverletzungen. Im Fußballsport bereits sehr bewährt haben sich auch „FIFA 11+“ und „FIFA 11+ kids“. Eine Übersicht und Links zu weiteren spezifischen Präventionsprogrammen findet man auf der Website der Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin (GOTS) unter www.gots.org/praevention .

Die Effektivität solcher Programme ist wissenschaftlich belegt, wie Pieber betonte. So konnten zum Beispiel VKB-Rupturen bei jungen Sportlerinnenum 64% reduziert werden.1 Empfohlen wird, vor und während der Saison 2- bis 3-mal pro Woche für 10–20 Minuten ein spezifisches Training von Kraft, Beweglichkeit, Sensomotorik und Geschicklichkeit durchzuführen.

Auch Verletzungen des oberen Sprunggelenks (OSG), vor allem Re-Verletzungen, können wirksam verhindert werden: sowohl mit Krafttraining als auch mit sensomotorischen Übungen, Tapes oder Orthesen.2–5

Sehr wichtig für alle Sportler sind laut Pieber rumpfkräftigende Übungen, denn eine gute Rumpfstabilität kann sehr viele verschiedene Sportverletzungen abwenden.

Wissen in die Praxis bringen

Die wissenschaftliche Evidenz ist also vorhanden und es gibt auch schon eine Reihe sehr guter Präventionsprogramme. Die Herausforderung besteht nun darin, bei Sportvereinen, Lehrern und Trainern ein Problembewusstsein zu schaffen, damit Verletzungsprävention auch implementiert wird. Jeder Sportler sollte die sportartspezifischen Belastungen und Risikofaktoren kennen und über vorhandene Präventionsprogramme informiert werden.

Zur Steigerung der Attraktivität, vor allem für Jugendliche, sollten neue Technologien wie Apps und Sensoren vermehrt genutzt werden, meint Pieber.


Buchtipp: Romain Seil und Thomas Tischer (Hrsg.): Primärprävention von Sportverletzungen. Vopelius 2019
 
 

Literatur:
1 Mattu AT et al.: Prevention of non-contact anterior cruciate ligament injuries among youth female athletes: an umbrella review. Int J Environ Res Public Health 2022; 19(8): 4648 2 Verhagen E, Bay K: Optimising ankle sprain prevention: a critical review and practical appraisal of the literature. Br J Sports Med 2010; 44(15): 1082-8 3 Bleakley CM et al.: Rehabilitation exercises reduce reinjury post ankle sprain, but the content and parameters of an optimal exercise program have yet to be established: a systematic review and meta-analysis. Arch Phys Med Rehabil 2019 ; 100(7) : 1367-75 4 Kaminski TW et al.: Prevention of lateral ankle sprains. J Athl Train 2019; 54(6): 650-61 5 Nouni-Garcia R et al.: Clinical benefit of the FIFA 11 programme for the prevention of hamstring and lateral ankle ligament injuries among amateur soccer players. Inj Prev 2018; 24(2) : 149-54