Von der Stammzelle zum Muskel

Apr 13, 2021

Drei oszillierend hergestellte Proteine bewirken, dass aus den Stammzellen der Muskeln kontrolliert neue Muskelzellen hervorgehen. Wie dieser Prozess im Detail erfolgt, berichtet ein Team vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) in Berlin.

Wenn ein Muskel wächst, bildet ein Teil der im Muskel enthaltenen Stammzellen neue Muskelzellen. Parallel dazu müssen die Muskelstammzellen aber auch weitere Stammzellen bilden, sich also selbst erneuern, da ihr Vorrat ansonsten sehr schnell aufgebraucht wäre. Dazu ist es erforderlich, dass sich die am Muskelwachstum beteiligten Zellen untereinander verständigen. Bereits vor 2 Jahren hatte ein Team um Prof. Carmen Birchmeier, Berlin, gezeigt, dass die Entwicklung von Stammzellen zu Muskelzellen mithilfe zweier Proteine, Hes1 und MyoD, gesteuert wird, die in den Vorläuferzellen oszillieren – also periodisch schwankend mal in größeren, mal in kleineren Mengen hergestellt werden. Beide Proteine sind am Notch-Signalweg beteiligt, einem Mechanismus, über den Zellen auf äußere Reize reagieren und miteinander kommunizieren. „In unserer aktuellen Studie haben wir nun den eindeutigen Nachweis erbracht, dass es sich bei der Oszillation im Muskelgewebe nicht nur um irgendein seltsames Phänomen der daran beteiligten Zellen handelt, sondern dass diese rhythmischen Schwankungen der Genexpression wirklich entscheidend dafür sind, dass die Verwandlung der Stammzellen in Muskelzellen kontrolliert und nur begrenzt erfolgt“, sagt Birchmeier.

Gemeinsam mit Forschenden aus Japan und Frankreich wurde zudem die Rolle eines entscheidenden dritten Proteins entschlüsselt, das mit Hes1 und MyoD ein dynamisches Netzwerk in den Zellen bildet. Es handelt sich dabei um den Notch-Liganden Delta-like1 (Dll1). Er wird in aktivierten Muskelstammzellen periodisch schwankend mit einer Oszillationszeit von 2–3 Stunden hergestellt. Immer wenn ein Teil der Stammzellen vermehrt Dll1 exprimiert, ist die Menge in den anderen Zellen entsprechend geringer. Diese rhythmische Signalgebung entscheidet darüber, ob eine Stammzelle eine neue Stammzelle bildet oder sich zu einer Muskelzelle entwickelt. Den wichtigsten Beweis hierfür haben die Forscher mithilfe genveränderter Mäuse erbracht. Eine bestimmte Mutation im Dll1-Gen bewirkt bei diesen Tieren, dass die Produktion des Proteins mit einer zeitlichen Verzögerung von wenigen Minuten erfolgt. Dies stört die oszillatorische Herstellung von Dll1 in Zellverbänden, verändert aber nicht die Gesamtmenge des Liganden. „Dennoch hat die Mutation schwerwiegende Auswirkungen auf die Stammzellen, die sich dadurch vorzeitig in Muskelzellen und -fasern verwandeln“, berichtet Erstautor Yao Zhan. Die Stammzellen seien somit sehr schnell aufgebraucht gewesen. Das habe unter anderem zur Folge gehabt, dass ein verletzter Muskel in den Hinterbeinen der Mäuse nur unzureichend regenerierte und kleiner blieb, als er es vor der Verletzung gewesen war.

Das bessere Verständnis für die Regeneration und das Wachstum von Muskeln könne eines Tages dazu beitragen, so die Hoffnung der MDC-Forscher, Muskelverletzungen und -erkrankungen effektiver als bisher zu behandeln.

Quelle:
Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft

Literatur:
1 Zhang Y et al.: Oscillations of delta-like1 regulate the balance between differentiation and maintenance of muscle stem cells. Nat Commun 2021; 12(1): 1318

Bild:
Stammzellen an einer Muskelfaser (grau). Die Stammzellen produzieren Dll1 (rot) und MyoD (grün). Zwei der Zellen produzieren MyoG (blau): Sie bilden neue Muskelzellen. Die Überlagerung von blau, grün und rot erscheint weiß.

©AG Birchmeier, MDC

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